26. November 2017
In vielen Gesprächen mit Paaren, die mich als Paartherapeut aufsuchen, spüre ich den starken und tief von innen kommenden Willen, die Probleme, die sie umtreiben, zu überwinden und wieder stärker miteinander in Kontakt zu kommen und die einst erlebte Harmonie wieder zu herzustellen. Auf meine Frage, wie sie sich kennen gelernt haben, antworten sie mit den unterschiedlichsten Geschichten. Eines jedoch hört sich oft ähnlich an, nämlich wenn sie von der Faszination des Anfangs und dem Glück der ersten gemeinsamen Zeit sprechen.
„Er war wie ein Sechser im Lotto“, sagte die Frau über genau jenen Mann, mit dem sie jetzt bei mir saß, und über den sie sagte, er würde sie nicht mehr verstehen und hätte kein wirkliches Interesse mehr an ihr. Aus dem „Sechser im Lotto“ wurde eine „Niete“ – und das nicht in zwanzig langen Ehejahren, sondern binnen zwei kurzer Beziehungsjahre. Die Verzweiflung und die Trauer darüber war ihnen in ihren Gesichtern abzulesen. Was ist in diesen zwei Jahren geschehen? Wo sind all die Hoffnungen und Sehnsüchte hin? Wie ist das große Glück, das beide erlebt haben, abhanden gekommen? Ist es einfach im täglichen Allerlei verloren gegangen, so wie man einen Ring oder eine Geldbörse verliert? Oder haben sie sich von Anfang an etwas vorgemacht? Haben sie ihre ganzen Hoffnungen und nicht erfüllten Sehnsüchte aus der Vergangenheit in den jeweils anderen hinein projiziert und im anderen jemanden gesehen, der dieser nie war? In diesem Fall muss es notwendigerweise zu Enttäuschungen führen, denn mit derartigen Glückerwartungen ist jede Partnerschaft und jeder Partner/In überfordert.
Aber vielleicht waren auch Glücksdiebe am Werk, die ganze Arbeit geleistet haben. Glücksdiebe sind von vielfältiger Gestalt. Nicht immer liegt es daran, dass wir etwas falsch gemacht haben.
Aus systemischer Sicht kommen Glücksdiebe oft aus früheren Familiensystemen.
Als Kinder sind wir nicht nur bedürftig, geliebt zu werden, sondern auch all denen unsere Liebe zu schenken, aus deren System wir kommen und einst gelebt haben. Das sind unsere Herkunftsfamilien. Dazu gehören Vater, Mutter, Geschwister, Großeltern, Onkel, Tanten, totgeborene oder abgetriebene Kinder, andere wichtige Personen usw. Eine besondere Form jenen unsere Liebe zu zeigen besteht häufig darin, dass wir uns unbewusst mit ihnen solidarisieren und ihnen so unsere Liebe ausdrücken, indem wir versuchen, ihr Schicksal zu teilen. Das ist besonders dann tragisch, wenn diese ein schweres Schicksal hatten. Es ist das Kind in uns, das sagt, „lieber Papa, liebe Mama, wenn ihr nicht glücklich sein konntet, dann will ich es auch nicht sein“. Damit sind wir auf einer Ebene mit ihnen und fühlen uns mit ihnen auf tiefe Weise verbunden. Diese archaische Solidarität ist es, was ich als „Glücksräuber“ bezeichne. Sie hindert uns daran, das Leben und das damit verbundene Glück als Geschenk zu nehmen. Statt dessen arbeiten wir aus besagten Gründen darauf hin, das Geschenk, was wir haben könnten, aus unbewusster Solidarität abzulehnen oder es erschrocken wieder zurückzugeben, wenn wir es schon besessen haben.
Aufstellungen können diese Zusammenhänge aufdecken und innere Räume eröffnen, die der Seele die Entwicklung zum Guten hin ermöglichen. So können wir die fatale Solidarität mit den Früheren, die keinem nutzt und allen schadet, aufdecken und durchbrechen und neue Wege zu einer erfüllteren Partnerschaft und zu glücklicheren Partnern finden.